Die neue Generation schlägt zurück:
Lukas Märtens vs. Paul Biedermann über 400m Freistil
13. April 2025
Ein Vergleich zweier deutscher Schwimmlegenden Technik, Stil und Rekordjagd
Als Paul Biedermann 2009 bei der Schwimm-WM in Rom in 3:40,07 Minuten den Weltrekord über 400 Meter Freistil aufstellte, war das ein Meilenstein.
Der Wunderanzug von Speedo spielte damals eine große Rolle, doch die Eleganz und Kraft seiner Technik beeindruckten nachhaltig. Mehr als 15 Jahre später kommt ein junger Mann aus Magdeburg und unterbietet diese Fabelzeit:
Lukas Märtens, Olympiasieger 2024 in Paris, schwimmt am 12. April 2025 in Stockholm 3:39,96 Minuten ohne technische Hilfsmittel...
Was unterscheidet die beiden und was verbindet sie? Ein Blick auf Technik, Stil und Trainingsphilosophie zweier deutscher Ausnahmeschwimmer.
**Wasserlage & Körperkontrolle**
Paul Biedermann dominierte mit einer flachen, fast perfekten Wasserlage,
unterstützt durch den Hightech-Anzug. Seine Gleitphasen waren lang, seine
Hüftposition optimal. Lukas Märtens hingegen zeigt, dass auch ohne technische Hilfsmittel eine herausragende Wasserlage möglich ist. Seine Körperspannung ist aussergewöhnlich, der Vortrieb kraftvoll und konstant.
Ein deutsches Schwimmduell der Extraklasse über
15 Jahre und ein paar Hundertstel getrennt.
**Armzugtechnik**
Biedermann setzte auf einen kraftvollen Armzug mit Frontquadrantentechnik: ein Arm vorn, der andere zieht ökonomisch und lang.
Märtens hingegen schwimmt mit höherer Frequenz und kürzeren Gleitphasen, sein Zug ist technisch brillant, der Vortrieb nahezu
ununterbrochen.
**Beinschlag**
Während Biedermann auf einen effizienten, aber sparsamen Beinschlag setzte, nutzt Märtens seine Beine deutlich aktiver vor allem auf den letzten 100 Metern. Er schwimmt dynamischer, moderner, angriffslustiger.
**Atmung & Rhythmus**
Beide Schwimmer beherrschen variable Atemrhythmen. Biedermann bevorzugte einen ruhigen Zweier-Rhythmus, um lange Gleitphasen zu ermöglichen. Märtens atmet flexibel, ohne die Körperachse zu verlieren sein Kopf bleibt ruhig, die Wasserlage stabil.
**Wenden & Unterwasserphase**
Hier wird der Generationenwechsel sichtbar: Märtens nutzt bis zu sechs Delphinkicks nach der Wende regelkonform und maximal effizient. Biedermann verliess sich auf klassische Wenden und seine starke Auftauchphase.
**Fazit**
Paul Biedermann war ein Pionier seiner Zeit Lukas Märtens ist der Beweis, dass diese Zeit jetzt übertroffen wurde. Seine Leistungen
markieren nicht nur das Ende eines Weltrekords, sondern auch den Beginn einer neuen Ära im Mittelstreckenschwimmen. Der Stil hat sich verändert: weniger Gleitphasen, mehr Druck, mehr Dynamik. Und vor allem: mehr Eigenleistung.
Ein deutsches Schwimmduell der Extraklasse über 15 Jahre und ein paar Hundertstel getrennt.
**Trainerperspektive: Kein Stil fur alle aber beide sind Gold wert**
Als Trainer mit A-Lizenz im Schwimmsport beobachte ich die Entwicklung des Mittelstreckenschwimmens seit Jahren mit großer Aufmerksamkeit. Sowohl Paul Biedermann als auch Lukas Märtens stehen fur hoch entwickelte, effektive Schwimmstile jeder auf seine Weise. Es bedeutet jedoch keinesfalls, dass es den einen perfekten Stil gibt.
In meiner Erfahrung mit Athletinnen und Athleten in unserer Schwimmschule habe ich festgestellt, dass beide Techniken die gleitbetonte Eleganz eines Biedermann und die kraftvolle Dynamik eines Märtens wertvolle Orientierungspunkte sind. Entscheidend ist, welcher Stil zur Körperstruktur, zum Rhythmusgefühl und zur mentalen Stärke des Einzelnen passt. Beide Stile können angepasst zur Spitzenleistung führen.
Das zeigt: Im modernen Schwimmsport führt nicht nur ein Weg zum Erfolg.
Michael Jeschke
swim
magazin
experte
Der Inhaber der Schwimmschule Aqua-Kolleg in Wasserburg ist Diplomtrainer mit A-Lizenz und ehemaliger Masters-Europameister. Er leitet Kraulseminare und vermittelt sein Wissen an Schwimmer aller Levels.
In seiner aktiven Karriere holte er Bronze bei den DDR-Meisterschaften, schwamm Bestzeiten von 56,64 s (100 m Schmetterling) und 2:02,30 min (200 m Schmetterling) und gewann Gold bei den Winter Swimming World Championships (450 m Freistil, AK 55–60).
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